Als im September 2018 die Commerzbank ihren Platz im Dax verlor und dafür das inzwischen insolvente Skandal-Unternehmen Wirecard aufrückte, war nicht nur die Häme groß.
Viele Beobachter sahen darin ein Symbol für den Wandel in der Finanzbranche: auf dem absteigenden Ast das allzu behäbig wirkende Traditionshaus, das alles an Finanzdienstleistungen anbietet, aber nichts davon überragend gut; und das als angeblichen Ballast Hunderte unmoderner Filialen und Zehntausende an Mitarbeitern mit sich schleppt. Auf dem aufsteigenden Ast dagegen das wendige Fintech Wirecard, das sich geschickt eine wachsende Nische – das Bezahlen insbesondere im Internet – ausgewählt hat und mit einem Zehntel der Mitarbeiter angeblich mehr verdient.
Heute sind alle schlauer, was Wirecard angeht. Der Börsenwert, Grundlage damals für einen Platz unter den Top 30 der börsennotierten deutschen Aktiengesellschaften, war auf Betrug gebaut, wie der in dieser Woche in München in die nächste Runde gehende Prozess mutmaßlich zeigen wird. Aber ist das Comeback der Commerzbank, die sich gerade einen Platz im Dax zurückerobert hat, Zeichen für ein Ende der Digitalisierung?
Gewiss nicht. Festzuhalten ist vielmehr, dass der „alten gelben Bank“ die Rückkehr in den Dax anstelle von Linde nun nicht gelänge, wenn die Deutsche Börse ihren Leitindex im September 2021 nicht von 30 auf 40 Mitglieder erweitert hätte.
Beeindruckend schnelle Sanierung
Aber auch der Sprung zurück unter die 40 wertvollsten deutschen Aktiengesellschaften war noch vor drei Jahren für die Commerzbank völlig unrealistisch. Unter Martin Zielkes Führung wirkte sie ambitions- und visionslos. Die einzige Hoffnung, so schien es, ruhte auf höheren Zinsen, doch die ließen auf sich warten. Zielke allerdings musste im Sommer 2020 gehen – wenige Wochen übrigens nach Wirecards Insolvenz, die zudem die Commerzbank als größten Gläubiger einen dreistelligen Millionenbetrag kostete.
Auch Zielkes Nachfolger Manfred Knof wirkt frei von Visionen; intellektuelle Höhenflüge oder fast diplomatische Ambitionen, wie sie Vorvorgänger Martin Blessing im internationalen Bankenverband oder etwa mit Vorschlägen zu Eurobonds zeigte, sind von Knof eher nicht zu erwarten. Der frühere Manager der Allianz-Versicherung aber hat eine klare Vorstellung, wie die Commerzbank in schlankerer Aufstellung mit weniger Filialen, mehr digitalen Prozessen und endlich einem Fokus auf ihre größte Stärke – das Firmenkreditgeschäft – Geld verdienen kann. Die mindestens zehn Jahre aufgeschobene Sanierung gelang Knof beeindruckend schnell schon im Jahr 2021, als die Zinsen noch niedrig waren.
Im Jahr 2022 profitierte die Commerzbank dann von der überfälligen Zinswende der Zentralbanken in USA und Europa: Auf Einlagen der Sparkunden zahlt sie nun deutlich weniger Zinsen, als sie für Kredite bekommt, die sie neu vergibt. Damit sprudelt der Zinsüberschuss, ihre wichtigste Einnahmequelle, wie seit Jahrzehnten nicht. Die Bank hat jetzt eine positive Dynamik auf ihrer Seite. 2022 fuhr sie einen in der Höhe erst in Umrissen bekannten Milliardengewinn ein. Die Aktionäre, darunter der Bund, erhalten im Mai 2023 endlich wieder eine Dividende, erst zum dritten Mal seit dem Staatseinstieg im Jahr 2008.
Es gibt einen Platz für die Commerzbank
Leider hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) das Ziel aus den Augen verloren, die Staatsbankenbeteiligung in dieser Legislaturperiode zu verkaufen. Dem Liberalen dient offenbar als Vorwand, dass viele Länder gerade zu staatlich gelenkter Industriepolitik greifen. Ausgerechnet unter der Ägide der FDP erhöht sich der politische Einfluss auf die Commerzbank über Aufsichtsräte sogar.
Dabei braucht sie den Staat als Stütze nicht mehr. Während vor wenigen Monaten ihre Zukunft bestenfalls als Juniorpartner einer größeren europäischen Bank vorstellbar erschien, wirkt die Commerzbank nun stark genug für eine noch längere Periode als eigenständiges Institut.
Schließlich sollte die Größe der deutschen Volkswirtschaft nicht nur der Deutschen Bank, die sich ihren Kunden als globale Hausbank anbietet, ein Auskommen ermöglichen. Es ist Platz für die Commerzbank, wenn sie sich klar auf den Mittelstand ausrichtet. Und dann mutig ist, Kredit- und Währungsrisiken einzugehen, und ihren Kunden dafür einen nicht zu niedrigen Preis abverlangt. Dabei wirkt die Commerzbank oft noch zu bürokratisch und zu wenig digital.
Daniel Mohr
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Die Rückkehr in den Dax setzt nun aber erst einmal der Sanierung der Commerzbank die Krone auf. Der Trend zu weniger Filialen und Mitarbeitern und zu mehr digitalen Prozessen aber wird nicht nur in der Finanzbranche weitergehen.
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